Kör­per- und Ge­sund­heits­ver­let­zun­gen beim Sport

Sport­ler sind im Rah­men der Sport­au­sü­bung im Ver­hält­nis zu­ein­an­der zur

all­ge­mei­nen Rück­sicht­nah­me ver­pflich­tet, denn nach dem Sinn und Zweck ei­ner je­den Sport­art sind Ge­fähr­dun­gen und Ver­let­zun­gen des an­de­ren -grund­sätz­lich- we­der er­wünscht noch er­laubt. Dies gilt un­ab­häng­ig da­von, ob die sport­li­che Be­tä­ti­gung wäh­rend ei­nes Wett­kamp­fes, wäh­rend des Trai­nings oder aber hob­by­mä­ßig er­folgt.

Ei­ne Kon­kre­ti­sie­rung der im Ein­zel­fall zu be­ach­ten­den all­ge­mei­nen Rück­sicht­nah­me­pflicht fin­det man für be­stimm­te Ge­fah­ren­si­tua­tio­nen in de­n die je­wei­li­ge Sport­art cha­rak­te­ri­sie­ren­den Spiel­re­geln.

So schrei­ben bei­spiels­wei­se die vom In­ter­na­tio­na­len Ski­ver­band (FIS) er­las­se­nen Re­geln für das (al­pi­ne) Ski­fah­ren vor, wie sich ein Ski­fah­rer auf der Pi­ste ge­gen­über an­de­ren Ski­fah­rern -ähn­lich wie Ver­kehrs­re­geln im Stra­ßen­ver­kehr- ver­hal­ten muss. Bei den so­ge­nann­ten Kon­takt- oder Kampf­spor­tar­ten (wie Fuß­ball, Bas­ket­ball, Eis­hockey, Hal­len­hand­ball) ent­hal­ten die Re­gel­wer­ke der je­wei­li­gen Sport­art ei­ne Fül­le von Be­stim­mun­gen, die ge­ra­de da­zu die­nen, die sich aus dem kör­per­li­chen Kon­takt der Be­tei­lig­ten er­ge­ben­den Ri­si­ken zu be­herr­schen.

Die Ge­rich­te nut­zen die Be­stim­mun­gen in den Ver­bands­re­gelwerken als Er­kennt­nis­quel­le, um fest­zu­stel­len, ob ei­ne Ver­let­zung im Sin­ne ei­ner Scha­den­ser­satz­norm wi­der­recht­lich und schuld­haft er­folgt ist. Im Rah­men des Ver­schul­dens spie­len die Re­gel­wer­ke ins­be­son­de­re bei der Fahr­läs­sig­keits­prü­fung ei­ne Rol­le; denn fahr­läs­sig -und mit­hin schuld­haft- han­delt, wer die im Ver­kehr er­for­der­li­che Sorg­falt au­ßer Acht lässt.

Die Ge­rich­te nut­zen die Re­gel­wer­ke der Sport­ver­bän­de als Er­kennt­nis­quel­le un­ab­hän­gig da­von, ob die Ver­let­zungs­hand­lung in­ner­halb des or­ga­ni­sier­ten Sport­be­trie­bes statt­ge­fun­den hat oder aber dem Freit­zeit­be­reich zu­zu­ord­nen ist.

Exi­stiert al­so für ei­ne be­stimm­te Sport­art ein sol­ches Re­gel­werk, dann kann -so die ganz über­wie­gen­de An­sicht in der Recht­spre­chung- je­der Sport­ler (auch der un­or­ga­ni­sier­te) grund­sätz­lich auf die Ein­hal­tung die­ser Re­geln ver­trau­en.

 

Es ha­ben sich zwei Fall­grup­pen her­aus­ge­bil­det:

a) Re­gel­werke, die ei­ne Kon­kre­ti­sie­rung des all­ge­mei­nen Rück­sicht­nah­me-

­ge­bots ent­hal­ten:

Kommt es trotz "re­gel­rech­ten Ver­hal­tens" zu ei­nem Scha­den, so schei­det ei­ne Haf­tung grund­sät­zlich aus. Be­grün­det wird dies ganz über­wie­gend da­mit, dass der Sport­ler mit Ver­let­zun­gen rech­nen, die auch bei re­gel­ge­rech­tem Ver­hal­ten nicht zu ver­meid­en sind. Die­ses spe­zi­fi­sche Ver­let­zungs­ri­si­ko nimmt je­der Teil­neh­mer ei­ner so­ge­nann­ten Kont­akt­spor­tart mehr oder we­ni­ger be­wusst auf sich und kann es da­her für den Fall, dass sich das Ri­si­ko rea­li­siert, nicht auf ei­nen an­deren ab­wäl­zen. Dies gilt selbst dann, wenn die zu­ge­füg­te Ver­let­zung er­heb­lich ist.

Aber auch dann, wenn ein Ver­stoß ge­gen die Spiel­re­geln vor­liegt, führt dies nicht oh­ne wei­te­res zu ei­ner Haf­tung. So soll die Haf­tung et­wa dann ent­fal­len, wenn dem "Ver­let­zer" ge­ge­be­nen­falls ein ge­fahr­ver­mei­den­des Ver­hal­ten nicht zu­mut­bar ist. Un­zu­mut­bar­keit in die­sem Sin­ne be­ja­hen die Ge­rich­te bei­spiels­wei­se, wenn der Sport­ler an­de­ren­falls auf ei­nen Zwei­kampf ver­zich­ten müss­te, ob­wohl die Chan­ce be­steht, et­wa beim Fuß­ball in Ball­be­sitz zu ge­lan­gen.

Dar­über ­hin­aus ent­fällt die Haf­tung nach über­wie­gen­der An­sicht auch bei nur ge­ring­fü­gi­gen Ver­stößen ge­gen ei­ne dem Schutz des Geg­ners die­nen­de Be­stim­mung. Dies liegt bei­spiels­wei­se na­he, wenn die Re­ge­lü­ber­tre­tung le­dig­lich aus Spie­lei­fer, Un­über­legt­heit, tech­ni­schem Ver­sa­gen, Über­mü­dung oder aus ähn­li­chen Grün­den ent­stan­den ist.

Wann die Re­ge­lü­ber­tre­tung als ge­ring­fü­gig ein­zu­stu­fen ist, ist ei­ne Fra­ge des Ein­zel­fal­les, die nur un­ter Be­rück­sich­ti­gung der je­wei­li­gen Um­stän­de ge­trof­fen wer­den kann. Da­bei sind die Ei­gen­hei­ten der Spiel­art oder die Be­glei­tum­stän­de des Spiels wie Hek­tik, Platz­ver­hält­nis­se, Wit­te­rung etc. mit­ zu be­rück­sich­ti­gen.

 

Ziel der Ein­zel­fall­be­trach­tung ist es, den Be­reich der zu­läs­si­gen Här­te von der un­zu­läs­si­gen Un­fair­ness ab­zu­gren­zen.

b) Das Re­gel­werk ent­hält kei­ne Kon­kre­ti­sie­rung des all­ge­mei­nen Rück­sichtnahmegebotes.

Ins­be­son­de­re in den In­di­vi­dual­spor­tar­ten fehlt das ty­pi­scherweise dem Mann­schafts­wett­kampf in­ne­woh­nen­de Ri­si­ko, bei dem ge­bo­te­nen kämp­fe­ri­schen Ein­satz den Geg­ner zu ver­let­zen oder selbst ver­letzt zu wer­den. Die Recht­spre­chung er­mit­telt den Grad der zu be­ach­ten­den Sorg­falt an­hand des Ma­ßes an Um­sicht und Rück­sicht­nah­me, das bei der je­wei­li­gen Sport­art von be­son­ne­nen und ge­wis­sen­haf­ten Sport­lern an­ge­we­ndet wird. Wer­den die­se all­ge­mei­nen Stan­dards ver­letzt, dann liegt grund­sätz­lich ein schuld­haf­tes und pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten vor.

Hier­zu ei­ni­ge Bei­spie­le:

Ten­nis: Aus der all­ge­mei­nen Ge­fahr beim Ten­nis, von ei­nem ge­schla­ge­nen Ball des Geg­ners ge­trof­fen zu wer­den, folgt die -un­ge­schrie­be­ne- Pflicht für je­den Ten­nis­spie­ler, Bäl­le nur zum Zweck des Ball­wech­sels zu schla­gen.

Mi­ni­golf: Aus dem all­ge­mei­nen Rück­sicht­nah­me­ge­bot folgt hier, dass der Spie­ler den Ball nur spie­len darf, wenn er im Rah­men sei­ner Mög­lich­kei­ten zur Kon­trol­le des Schla­ges si­cher sein kann, an­de­re nicht zu ge­fähr­den. Er muss sich da­her vor dem Schlag ver­ge­wis­sern, dass sich nie­mand nah an der be­spiel­ten Bahn auf­hält und durch den Schlä­ger oder Ball ge­trof­fen wer­den kann.

Ju­do: Beim Ju­do gibt es kei­ne spe­zi­ell ge­schrie­be­nen Re­geln. Die ver­schie­de­nen Wurf- und Griff­tech­ni­ken er­ge­ben sich aus all­ge­mei­nen Be­schrei­bun­gen der ein­zel­nen Kampf­ar­ten und nach dem Aus­bil­dungs­stand. Die Ju­do­kas be­herr­schen die Tech­ni­ken je nach ih­rem Aus­bil­dungs­stand. Da­nach rich­ten sich da­her auch die Pflich­ten. Ei­ne rechts­wid­ri­ge Hand­lung bzw. ein Ver­schul­den ist da­her bei­spiels­wei­se im Trai­ning an­zu­neh­men, wenn ein Ju­do­ka ei­ne Wurf­tech­nik ein­setzt, die der Geg­ner auf­grund sei­nes ge­rin­gen Aus­bil­dungs­stan­des nicht kennt und auch nicht be­herr­schen muss.

 

Zum Um­fang des Scha­dens­er­sat­zes:

Der Ge­schä­dig­te ist nach den Vor­schrif­ten des BGB grund­sätz­lich so zu stel­len, wie er oh­ne das schä­di­gen­de Er­eig­nis ste­hen wür­de.

Zu er­set­zen sind dem Ge­schä­dig­ten mit­hin die er­lit­te­nen Sach­schä­den so­wie die an­ge­fal­le­nen (nicht aber fik­ti­ven) Hei­lungs­ko­sten. Zu er­setzen ist dem Sport­ler auch der ent­gan­ge­ne Ge­winn. Der Nach­weis ei­nes ent­gan­ge­nen Ge­winns kann für den Ge­schä­dig­ten im Ein­zel­fall mit Schwie­rig­kei­ten ver­bun­den sein, denn er muß dar­le­gen (und not­falls auch be­wei­sen), wie er oh­ne das schä­di­gen­de Er­eig­nis ver­mö­gens­recht­lich ste­hen wür­de.

Zu be­ach­ten ist ins­be­son­de­re auch, dass der Ge­schä­dig­te (im Fall der Ver­let­zung des Kör­pers und der Ge­sund­heit) auch ein an­ge­mes­se­nes Schmer­zens­geld for­dern kann.

Bei der Be­mes­sung der Scha­dens­hö­he ist ein Mit­ver­schul­den des Ge­schä­dig­ten stets zu be­rück­sich­ti­gen. Da­bei sind sämt­li­che Ver­ur­sa­chungs- und Ver­schul­dens­bei­trä­ge des Schä­dig­ers ge­gen­über de­nen des Ge­schä­dig­ten ab­zu­wä­gen. Bei­spie­le: Trägt der Ge­schä­dig­te -ent­ge­gen den Spiel­re­geln- kei­ne oder kei­ne an­ge­mes­se­ne Schutz­klei­dung (z. B. Sturz­helm) oder un­ter­läßt der ge­schä­dig­te Sport­ler beim Berg­sport ei­ne Selbst­prü­fung da­hin­ge­hend, ob er ge­ne­rell denn auf­tre­ten­den Ge­fah­ren ge­wach­sen ist oder be­hält der ge­schä­dig­te Ski­fah­rer (im Vor­feld der Kol­li­si­on) die an­de­ren Ski­fah­rer nicht im Au­ge, ob­wohl ihm dies zu­zu­mu­ten ist, so ist der Scha­dens­er­satz­an­spruch ver­hält­nis­mä­ßig zu  kür­zen.

 

 

 

Tho­mas Wei­kert

Rechts­an­walt

Fach­an­walt für Fa­mi­li­en­recht

 

D14/d220